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9. Etappe Chialvetta – La Meja
Über den Wolken ...

Die Truppe
Der Morgen begrüßt uns grau in grau – erste Regentropfen – alles in allem kein vielversprechender Auftakt zum Aufstieg in die Bergwelt. Ich frage lieber nicht, was die Wetterfrösche vorhersehen. Lassen wir uns überraschen, bisher sind wir nicht enttäuscht worden. Den Anfang des Weges, den wir bereits schon von gestern kennen, bringen wir schnell hinter uns. Wasserfassen am Brunnen in Pratorotondo und auf geht’s! An der Stelle, an der sich die Wege trennen, ein letzter Blick zurück ins Tal – wir wollen heute hoch hinaus! Leider sehen wir nicht, wohin es geht. Die Berge verstecken sich hinter dichten Wolken. Je höher wir steigen, desto stürmischer wird das Spiel der Wolken. Plötzlich reißt der Nebel auf und staunend blicken wir um uns: eine gigantische Bergkulisse mit stetig wechselndem Bühnenbild! Die Wolken treiben warme Luft vom Tal herauf und lösen sich auf, sobald sie die Höhe der Gipfel erreichen. Mehr als einmal stehen wir inmitten ihres Atems. Wir bewundern die scharfen Konturen der Berge vor dem Hintergrund des stahlgrauen Wolkenhimmels. Hin und wieder läßt ein einzelner Sonnenstrahl einen Gipfel in unwirklichem Licht erscheinen – es ist atemberaubend! Immer wieder halten wir staunend inne. Wir kleinen WanderInnen sind bloß Statisten in diesem Szenario der Naturgewalten. Der stürmische Wind treibt uns vor sich her, vorbei an den Überresten ehemaliger Bunker, die so ganz und gar nicht hierher passen.

Am Passo della Gardetta angekommen, liegt die gleichnamige Ebene vor uns. Das Rifugio della Gardetta in Sichtweite versuchen wir vorher eine kurze Rast einzulegen, erstes Donnergrollen und stürmische Winde vertreiben uns aber leider allzu schnell von diesem grandiosen Aussichtsplatz. Vielleicht gibt es am Rifugio ein bißchen Windschatten! Auf jeden Fall wird es dort Bier und Cappuccino geben – was will man mehr? Wir sind die einzigen Gäste an diesem windigen Tag, sorgen aber für zufriedenstellenden Umsatz.
Nach einer ausgiebigen Rast brechen wir in bester Stimmung auf. Es ist nur noch eine gute Stunde Gehzeit bis zum Etappenziel Azienda Agricola „La Meja“ – wir haben ausreichend Zeit zu schlendern und zu schauen. Hier oben ist Murmeltiergebiet. Die einen verschwinden sofort in ihren Bauten, sobald sie uns bemerken, andere aber lassen sich in aller Seelenruhe bewundern und verschwinden erst, wenn Peter ihnen allzu nahe rückt mit seiner Kamera*. Die Wolken verdichten sich zunehmend zu einem Nebel, der die Ebene der Gardetta in ein gespenstisches Licht taucht. Es scheint als hätten wir uns hoffnungslos verlaufen und wären in den Schottischen Highlands gelandet.

Doch da taucht eine Herde wohlbekannter weißer piemontesischer Rinder aus dem Nebel auf – die Azienda kann nicht mehr weit sein. Tatsächlich bereitet uns der dichte Nebel ein wenig Mühe, den Weg auszumachen und die richtige Richtung zu finden. Endlich kommen Kompass und Höhenmesser zum Einsatz! Wir kehren um und treffen auf eine hölzerne Tafel: Azienda „La Meja“ – Latte – Formaggio – Burro – Agriturismo. Sogleich kommt uns Giovanna Isoardi entgegen und begrüßt uns herzlich. Sicher hatte jeder von uns seine eigene Vorstellung von einer Hochalm auf 2000 Meter Höhe, einen langgestreckten, nüchternen Betonbau und einen Sanitärcontainer hatte sicher keiner erwartet. Doch wir sind zufrieden: Es gibt Liegestühle und ein Willkommen-Bier! Seit Ussolo sind wir hart im Nehmen und selbst die Planen mit Klettverschluss anstelle von Türen können uns nicht schrecken. Wenn nur dieser Wind nicht wäre! Alsbald steht das Abendessen auf dem Tisch. Heute nun gibt es kein zurück: Kaninchen!

Antipasti


Acciughe con salsa verde (Sardellen mit grüner Soße)
Salsicce (kleine Salamiwürstchen)
Peperoni frittati (in Öl gebackene Paprikaschoten)
PrimoTagliatelle al pommodoro
SecondoConiglio con zucchini (Kaninchen und Zucchini)
DolceDolce fatto in casa (selbsgebackenen Kuchen)

Vino rosso dalla casa. „Ich stelle euch gleich eine 2-Liter-Flasche hin, ihr seid ja morgen Abend auch noch hier!“ – Die Ahnungslose! Sie kann ja nicht wissen, daß wir diese Menge locker an einem Abend schaffen! Draußen können wir einen (fast) klaren Sternenhimmel bewundern, bis uns die Kälte der Nacht in die Schlafsäcke treibt.


* Tatsächlich ist es Peter nie gelungen, eines von ihnen aus der Nähe zu fotografieren.

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karin@simon-schellhaas.de