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12. Etappe Palent – Macra
Sagra a Sagna
Heute wird unsere letzte echte Etappe sein. Noch einmal wandern wir durch die uns bekannte und vertraute Kulturlandschaft –schattiger Wald, abgelegene Weiler, steile Trockenwiesen – stetig bergab. Der Weg wird zunehmend schlechter, die Markierungen sind kaum mehr sichtbar, weil zugewuchert – ein Zeichen dafür, dass der Mairaweg in den letzten Etappen weniger begangen wird. Eigentlich schade, finden wir. Nur ausgewählte Etappen zu gehen widerspricht nicht nur dem Konzept der Percorsi sondern unterteilt den Weg in landschaftlich reizvolle und weniger reizvolle Etappen. Aber gerade die unterschiedlichen Etappen, da sind wir uns einig, machen den Reiz des Weges aus. Im Weiler Sagna machen wir Rast. Hier sind auffallend viele Häuser aufwendig restauriert, die Läden sind fast alle geschlossen, es ist noch nicht Wochenende! Doch heute herrscht fast reges Treiben: Kisten voller Lebensmittel werden auf Karren vom Parkplatz vor dem Ort durch die engen Gassen transportiert. Zwei ältere Männer tragen ein riesiges Fiasko mit Rotwein. Nächste Woche feiert das Dorf eine große Sagra * mit okzitanischer Musik und Tanz. Es werden viele Gäste von weit her erwartet. „Ihr seid herzlich eingeladen.“ Wir bedauern, dann schon wieder zuhause zu sein. „Kommt eben wieder!“ ist die ernst gemeinte Antwort.
Am Ortseingang begrüßt ein Transparent über der Straße die erwarteten Gäste: „Benvenuti a Sagna!“ Für uns heißt es für heute leider „Arrivederci Sagna!“
Von nun an bewegen wir uns in odenwaldähnlichen Gefilden, der Weg ist in einem sehr guten Zustand. Es wandert sich angenehm, schon fast wie ein Ausklang. Wir sind von Matteo Laugero für heute abend zum Essen in der „Osteria delle Alpi“ angemeldet. Ob es da wohl schon am frühen Nachmittag ein Bierchen / Cappuccino/ Lemon Soda / Gelato für uns gibt? Nach den letzten heißen Metern auf der Teerstraße nach Bassura wäre uns das sehr willkommen. Auf den ersten Blick macht die Osteria einen ausgestorbenen Eindruck, aber das schreckt uns nun nicht mehr! Unser Optimismus wird belohnt: Eine rundliche ältere Dame mit Schürze begrüßt uns betont distanziert-freundlich und nimmt unsere Bestellung entgegen. Sie setzt sich zu uns auf die Terrasse, beäugt uns ein wenig skeptisch und lauscht unserem Gespräch. Wir fragen Sie, ob wir heute abend auf der Veranda essen können. „Ah, ihr kommt heute zum Essen! Natürlich könnt ihr draußen essen. Wollt ihr Arrosto oder Ragù?“ Nun, da sie uns als ihre Gäste wähnt, wird sie zunehmend aufgeschlossener. Sogar ihren Commestibile* öffnet sie für uns. Trotz des stark reduzierten Angebots fühlen wir uns fast wie im Schlaraffenland und können uns nur schwer entscheiden, welche Kekse und welchen Wein wir nun nehmen sollen. Wir decken uns mit Lebensmitteln, Obst und Wein für den Abend in Celle di Macra ein. Der Aufstieg dorthin ist steil und wir kommen noch einmal ordentlich ins Schwitzen. Das PT befindet sich obendrein im obersten Stockwerk des Gemeindehauses und gehört nicht gerade zu der gemütlichsten Kategorie. Dafür ist es aber hell und luftig mit einem sagenhaften Ausblick auf die Berge.
Den Nachmittag verbringen wir auf der Piazza, mal gemeinsam, mal jeder für sich. Zum Abendessen steigen wir wieder nach Bassura hinab. Wie vereinbart, wird auf der Veranda ein Tisch, ordentlich mit karierter Tischdecke, für uns gedeckt. Entgegen meiner Befürchtungen (wegen der etwas schnuddeligen Schürze der Signora), fällt das Essen ausgesprochen appetitlich aus:
| Antipasti | Prosciutto e salame con melone |
| Primo | Pasta al ragù (Nudeln mit Tomaten-Hackfleischsoße) |
| Secondo | Arrosto di Vitello – Patate fritte - Carote (Kalbsbraten – Pommes frites - Karotten) |
| Dolce | Frutta (Obst) |

Wohl gesättigt und bester Stimmung treten wir den Rückweg an, der wegen der gefüllten Bäuche noch etwas beschwerlicher ist als am Nachmittag. Auf den Treppenstufen vor der Kirche in Celle di Macra lassen wir den letzten gemeinsamen Urlaubsabend mit Angelika und Peter ausklingen.
* Sagra ist ein Volksfest, ähnlich unserer Kerb.
* Commestibile ist ein antiquierter Begriff für Lebensmittelladen, abgeleitet vom italienischen Adjektiv commestibile (essbar, genießbar) im Gegensatz zu non commestibile (ungenießbar)
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